Erfahrungsbericht einer Lehrerin im ersten Dienstjahr

10.10.2023

Ich habe mit September mein erstes Dienstjahr begonnen. Die Ausbildung zur Lehrerin habe ich im zweiten Bildungsweg eingeschlagen und das Bachelorstudium absolviert. Nun bin ich Klassenlehrerin einer 4. Klasse Volksschule. Ich hatte schon einige andere Jobs und muss sagen, ich würde mir wünschen ich würde nach meiner eigentlichen Arbeitszeit bezahlt werden.

Mit meinen Vorbereitungen habe ich schon Ende Juli begonnen und die Klasse eingerichtet, offiziell startet das Dienstjahr aber erst im September. Fast alles an Material in der Klasse habe ich selbst bezahlt, gedruckt und hergestellt, weil es in der Schule nicht einmal Kopierpapier gegeben hat.

Die Ausstattung der Schule ist unterdurchschnittlich. Am schlimmsten für mich ist aber die fehlende Unterstützung. Die Induktionsphase sieht vor, dass ich eine Mentorin habe, welche ich bei Planungsfragen ansprechen kann. Meine Mentorin ist Direktorin an einer anderen Schule und nur 1 Mal in der Woche für ein paar Stunden an der Schule. Für den Elternabend wurde ich daher auch kaum vorbereitet. Meine Tipps und Informationen in Planungsfragen hole ich mir mühsam über meinen Bekanntenkreis. Von der Schule oder dem Team erhalte ich wenig Unterstützung. Die Arbeitszeit erstreckt sich bei mir derzeit auf 10-12 h pro Tag, auch am Wochenende. Die Bildungsdirektion sieht von Junglehrer:innen vor, eine hohe Anzahl an Fortbildungen im ersten Dienstjahr zu besuchen. Auch an Wochenenden mache ich entweder Fortbildungen, korrigiere oder bin in der Schule und bereite den Unterricht vor. Organisatorische Dinge, Korrekturen und auch die Planungen nehmen extrem viel Zeit ein. Zusätzlich kommen noch viele andere Dinge, an die ich denken muss. Ich muss ehrlich gesagt sagen, wenn sich dieses Jahr nicht bessern sollte kann ich durchaus verstehen, warum viele Lehrer:innen wieder aufhören. Ich hatte noch nie einen Job, bei dem von Anfang an gleich so viel verlangt wurde und der so stressig und zeitintensiv ist. Es wäre schon alles viel genug, aber die fehlende Unterstützung macht alles noch viel mühsamer als es eh schon wäre. 

Die Arbeit mit den Kindern macht mir grundsätzlich Spaß, aber ich habe auch das Gefühl, das ich dafür mit meiner Zeit bezahle. Viele Dinge im Schulwesen werden nur verlangt, weil es halt "alle so machen" und nicht, weil sie wirklich vorgegeben sind (z.B.: Projekttage mit Übernachtungen, Weihnachtsfeier mit den Eltern und den Kindern). Die zusätzliche Planungszeit oder der Aufwand, wenn Kinder an gebuchten
Kursen, Workshops oder den Projekttagen nicht teilnehmen wollen und einen Tagesplan brauchen kommt noch erschwerend hinzu. 

Die Ausbildung im Studium war zu praxisfern und ist in vielen Fällen nicht auf die Schulpraxis anwendbar. Ich begrüße solche Systeme, wo Berufseinsteigerinnen ein Jahr mit einer Klasse mitgehen, bevor sie selbst eine Klasse übernehmen, um praxiserprobte Methoden kennen zu lernen und einmal ein ganzes Schuljahr mitzuerleben, aber dafür gibt es zu wenig Personal. Wie ich den Master meines Studiums noch nebenbei machen/schaffen sollte, ist für mich sowieso unvorstellbar, daher habe ich mich derzeit auch gar nicht für diesen angemeldet. Ich habe lange berufsbegleitend studiert und es ist und bleibt eine doppelte Belastung. Ich denke, wenn dieses System mit der Umstellung des Studiums verfolgt wird, wird die Drop-Out Quote sicher nicht kleiner werden, eher das Gegenteil.

Alles in allem ist zu sagen, dass es ein schöner Beruf ist, aber ob ich ihn wirklich für längere Zeit ausüben möchte, steht noch in den Sternen. Ich denke, viele Junglehrerinnen hören auch auf, weil es ihnen an Tipps fehlt mit ihrer Zeit und Energie zu haushalten. Darum fühlen sich viele Junglehrer:innen auch schnell überlastet und es kommt die Frage auf: "Will ich wirklich für mein restliches Leben Lehrer*in sein?".

Lehrerin aus der Steiermark